Der Verhandlungstermin zur Rechtssache 175/2015 zum Thema „treuwidrige Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts“ am 15. Dezember 2015 wurde wegen eines außergerichtlichen Vergleichs der Parteien aufgehoben (siehe auch Pressemitteilungen BGH Nr. 175/2015 und Nr. 195/15). Es ging dort um einen Darlehenswiderruf im Zusammenhang mit einem Fondsbeitritt. Nach der Entscheidung von Landgericht und OLG stellte im dortigen Fall der Widerruf des Darlehensnehmers eine unzulässige Rechtsausübung dar. Dies, weil es dem dortigen Darlehensnehmer darum gegangen sei, sich von der wohlüberlegt getätigten, aber spekulativen und risikobehafteten Anlage zu lösen, nachdem sie sich aus steuerlicher Sicht als nicht so erfolgreich wie gewünscht erwiesen hatte. Die Ausübung des Widerrufsrechts zu diesem Zweck sei dann treuwidrig, weil die Mängel der Widerrufsbelehrung für die Risiken, derentwegen widerrufen wurde, irrelevant gewesen seien. Aufgrund des Vergleiches bleibt gegenwärtig diese interessante Rechtsfrage offen.
Aber was bedeutet das für Fälle, in denen das Widerrufsrecht jahrelang bestand und jetzt ausgeübt wird?
Die Rechtsprechung tendiert zu einer restriktiven Annahme der Verwirkung.
Unterschiede in der Rechtsprechung gibt es jedoch je nachdem, ob der Widerruf vor oder nach vollständiger Erfüllung des Darlehensvertrages erklärt wird. Nach einer Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes vom 21.08.2013- 4 U 202/11 reicht der reine Zeitablauf (dort 6,5 Jahre) gerade nicht aus, um Verwirkung anzunehmen. Denn neben dem sog. Zeitmoment muss noch das Umstandsmoment hinzukommen. Dieses ist dann nicht erfüllt, wenn der Kredit erst nach der Widerrufserklärung, vollständig abgewickelt wurde.
Anders wurde dies in einem Fall des OLG Köln vom 25.01.2012-13 U 30/11, 13 U 30/11 entschieden, wo der Vertrag bereits 5 Jahre lang erfüllt war, bevor der Widerruf erklärt wurde. In diesem Fall durfte sich der Gegner mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen wird, so dass die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt.
Anders wiederum in der Entscheidung des OLG Celle vom 04.12.2014-13 U 205/13. Dort reichte die vollständige Erfüllung des Darlehensvertrages nicht aus. Hinzukommen muss nämlich weiter, dass sich die Bank darauf eingerichtet hat, dass das Widerrufsrecht nicht mehr geltend gemacht werde, und deshalb die spätere Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (BGH, Urteile vom 18. Oktober 2004 und vom 11. Oktober 2012, a. a. O.). Dies setzt voraus, dass sie sich im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten und seine Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde.
Zu berücksichtigen im Rahmen der Bewertung ist weiterhin, dass die Bank den Widerruf dadurch selbst herbeigeführt hat, dass diese nicht ordnungsgemäß belehrt hat. Von daher erscheint es vertretbar, nur in sehr engen Ausnahmefällen von Verwirkung auszugehen.