Gegenwärtig stellt sich die Frage, wer bei Ladenschließungen etc. anlässlich der Corona- Pandemie das Kostenrisiko trägt. Bestehen monatelang Quarantäne- Maßnahmen, führt das schnell zur Insolvenz von Unternehmen. Mieter fragen sich daher bereits jetzt, ob und wann Mietzahlungen ausgesetzt werden können.
I. Anspruch des Mieters zur Reduzierung der Miete?
1. Regelungen im Gewerbemietvertrag sind vorrangig!
In Gewerbemietverträgen finden sich insbesondere folgende Klauselarten: Die sog. „Force-Majeure-Klausel“ hat den Inhalt, dass Epidemien, Pandemien oder Quarantäneanordnungen als „höhere Gewalt“ zu qualifizieren sind. Findet sich im Vertrag eine solche Regelung, gilt die dortige Regelung. Denn mit der Einstufung von Covid-19 am 11. März 2020 als Pandemie wäre die Klausel einschlägig.
Abstrakte Regelungen zur höheren Gewalt definieren den Begriff „höheren Gewalt“ nicht unmittelbar und sind entsprechend der jeweiligen Sachlage auszulegen. Es muss dann geklärt werden, ob Covid-19 unter den Begriff „höhere Gewalt“ fällt. Es handelt sich nach den gängigen Definitionen um ein externes, unverschuldetes und unabwendbares Ereignis, dass keinen betrieblichen Zusammenhang aufweist und auch nicht durch äußerste Sorgfalt abwendbar ist. Die Covid-19 Pandemie dürfte aufgrund der einschneidenden nationalen/ internationalen Maßnahmen, die den wirtschaftlichen Handel massiv beeinträchtigen, unter diesen Begriff fallen.
In einigen Verträgen finden sich Regelungen, die auf behördlich angeordnete Betriebsschließungen Bezug nehmen. Ob von solchen Regelungen auch Schließungen wegen Pandemien umfasst sind, hängt ebenfalls von der individuellen Ausgestaltung ab.
Folge der dargestellten Klauseln kann eine (temporäre) Mietreduzierung, Aussetzung der Mietzahlungspflicht, eine Stundung der Mietzahlungspflicht oder gar ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Mieter sein.
Rechtsfolgen zugunsten des Vermieters werden solche mietvertraglichen Vereinbarungen meist nicht enthalten, da für die Situation des Vermieters kein Sicherungsbedürfnis besteht. Für den Fall, dass der Mietvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen stellen und vom Mieter gestellt wurden, stellt sich dann die Wirksamkeitsfrage nach AGB – Gesichtspunkten.
2. Allgemeines mietvertragliches Gewährleistungsrecht überträgt Mieter das allg. Betriebsrisiko!
Ohne vertragliche Regelungen liegt das Betriebsrisiko grundsätzlich beim Mieter. Insbesondere besteht keine Mietminderung nach dem Mietmängelgewährleistungsvorschriften und somit eine uneingeschränkte Zahlungspflicht und Kündigungsmöglichkeit des Vermieters bei Zahlungsverzug.
So können Mieter zwar mit dem Argument des Vorliegens eines Mangels die Miete kürzen. Allerdings betreffen verhängte Betriebsverbote nur die Nutzungsart und stellen damit keine objektbezogenen Gebrauchsbeschränkung dar. Eine Mietkürzung ist wegen des Fehlens eines Mangels der Mietsache dann nicht möglich.
Auch die eigentliche Erkrankung der Mitarbeiter und die Pflicht, in Quarantäne zu bleiben, gehört ebenfalls zum allgemeinen Lebensrisiko und sind von jedem, auch dem Mieter, zu tragen. Solange also der Vermieter die Mietsache wie vereinbart zur Verfügung stellt, ist der Mieter nicht zur Zahlung einer geminderten Miete berechtigt.
3. Das „Corona-Schutzgesetz“
Vermieter sollen wegen Mietschulden ab dem 1. April 2020 bis zum 30. September 2020 (verlängerbar) kein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages haben, sofern diese auf den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie beruhen. Der Mieter hat die Voraussetzungen glaubhaft zu machen. Bestehen bereits früherer Mietschulden, die allein nicht zur Kündigung ausreichen kommt es zu Problemen, da das Gesetz – nach bisheriger Auslegung- die alleinige Kausalität voraussetzen dürfte. Allerdings bleibt die Mietzahlungspflicht dem Grunde nach bestehen und ist auch durchsetzbar. Eine Kündigung des Mietvertrages der im festgelegten Zeitraum angesammelten Rückstände soll ab Juli 2022 erst wieder möglich sein. Da die Zahlungspflicht bestehen bleiben soll, stehen dem Vermieter bei Zahlungsrückständen Verzugsansprüche (wie Zinsen) zu. Auch ein Rückgriff auf Mietsicherheiten ist möglich.
4. Anpassung der Verträge wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“ nach § 313 ?
Haben Mieter und Vermieter bei Abschluss des Vertrages besondere Umstände nicht vorhergesehen, die zu einer schwerwiegenden Veränderung der Geschäftsbeziehung führen, kann nach Treu und Glauben eine rechtliche Korrektur erforderlich sein.
In besonderen Ausnahmefällen besteht deshalb die Möglichkeit einer Vertragsanpassung. Aber auch hier gilt grundsätzlich der Vorrang des Mietrechts, so dass nur in engen Ausnahmesituationen auf diese Hilfsnorm des §313 BGB zurückgegriffen werden kann. Mit Verweis auf das ganz erhebliche Ausmaß der Corona-Krise und die damit verbundene Dauer und Intensität der wirtschaftlichen Belastung der Mieter, könnte sich hier eine zugunsten der Mieter entwickelnde Rechtsprechung ergeben.
Aber auch dann wäre die Risikoverteilung zu berücksichtigen. Denkbar sind verschiedene Folgen. So ist an die Möglichkeit der Reduzierung der Mietzahlungspflicht nach Ablauf eines gewissen „Toleranzzeitraums“ zu denken. Dafür würde sprechen, dass das Verwendungsrisiko zunächst beim Mieter liegt und der Mieter daher die sich daraus ergebenden Risiken zumindest bis zum Erreichen einer gewissen Risikoschwelle zu tragen haben könnte.
II. Nachbesicherung der Immobiliendarlehen als Schlüsselrisiko für Vermieter
Beruft sich ein Mieter auf eine Anpassung aufgrund Störung der Geschäftsgrundlage und hält dies einer rechtlichen Überprüfung stand, ist im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Interessen zu bedenken, dass auch der Vermieter schutzbedürftig ist. Denn stellt der Mieter seine Mietzahlungen ein, fehlt dem Vermieter der Mietertrag. Dadurch wird ihm die Grundlage genommen, etwaige Darlehensverpflichtungen aus Fremdkapital zu bedienen. Konkret droht dann folgende Gefahr:
Verändern sich die wirtschaftlichen Rahmendaten einer Kreditkalkulation, kann das auch erhebliche Auswirkungen auf bestehende Immobilienkredite haben, wenn sich diese Veränderung als nachhaltig darstellt.
Nach Nr. 19 AGB-Banken besteht nämlich eine Kündigungsmöglichkeit der Bank aus wichtigem Grund und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, wenn eine wesentliche Verschlechterung der Werthaltigkeit einer Sicherheit eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung des Darlehens gegenüber der Bank – auch unter Verwertung einer hierfür bestehenden Sicherheit – gefährdet ist. Gleiches gilt, wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkommt.
Die Verschlechterung der Werthaltigkeit stellt für sich allein genommen zwar keinen eigenständigen Kündigungsgrund dar.
Sie führt jedoch zu einem Anspruch der Bank gegen den Darlehensnehmer auf Verstärkung von Sicherheiten nach Nr. 13 AGB Banken. Ein solcher Nachbesicherungsanspruch ist auch dann möglich, wenn der Kredit lückenlos bedient wurde. Die Bank muss dann darlegen, dass die Deckungslücke zwischen Bankforderung und dem realisierbaren Wert der Sicherheiten einen Umfang erreicht hat, der Sicherungsinteresse der Bank tangiert. Dies ist bei einer geschätzten Deckungslücke von mehr als 15% anzunehmen.
Bei länger andauernden Einnahmeproblemen durch Mietkürzungen oder gar der Anpassung der Mietverträge dürfte das der Fall sein
Es gilt, Strategien zu finden, eine Nachbesicherung abzuwehren und gleichzeitig eine vernünftige Lösung für den Mieter zu finden.
III. Fazit:
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§ Bestehen vertragliche Regelungen im Mietvertrag, sind diese anzuwenden und auszulegen.
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§ Bestehen keine vertraglichen Regelungen bleibt der Mieter zahlungspflichtig.
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§ Eine Kündigung des Mietvertrages ist bei Zahlungsrückstand nach dem Corona-Schutzgesetz befristet nicht möglich.
§ Eine Anpassung bestehender Mietverträge ist möglich. Es sollte hier eine konstruktive Lösung gefunden werden.